Die Suche nach dem Schuldigen Goslar/Berlin (DAV). Das automatisierte Fahren stellt uns vor einige rechtliche Herausforderungen auch und besonders im Strafrecht. Nicht nur die Frage nach der Schuld gilt es neu zu bewerten, auch die umfangreich aufgezeichneten Fahrdaten könnten zu einem Mittel der Beweisführung werden. Doch wo sich neue prozessuale Wege ergeben, müssen auch die Schutzrechte angepasst werden fordert der Deutsche Anwaltverein (DAV). Ebenfalls bedarf es konkreter rechtlicher Rahmenbedingungen, um mit den neuen Gegebenheiten mithalten zu können. „Während man möglicherweise noch darüber hinweg sehen kann, dass niemand zur Rechenschaft gezogen wird, wenn ein automatisiertes Kfz einmal falsch parkt, ist dies schwer zu ertragen, wenn Menschen zu Schaden kommen oder gar getötet werden“, so Rechtsanwältin Dr. Daniela Mielchen von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein. Diese neuen Probleme stellten sich auch der Justiz zunehmend. Erste Lösungsansätze zielten auf die Verantwortlichkeit der Fahrzeugführer. „So hat § 1b StVG Eingang in unsere Gesetze gefunden. Er gibt eine erste Hilfestellung, indem er normiert, dass der Fahrer, der im automatisierten Betrieb unterwegs ist, die Fahrzeugführung wieder übernehmen muss, wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der automatisierten Fahrfunkton nicht mehr vorliegen“, erklärt Mielchen. Erkennt er also, dass eine Gefahr droht, der das System nicht gewachsen ist, muss er übernehmen. Wenn er dies versäumt, öffnet das die Tür zumindest zu einem Fahrlässigkeitsverstoß. „Fraglich bleibt aber, ob das auch reichen kann“, gibt Mielchen zu bedenken. Kritiker des Gesetzes hätten schon früh darauf hingewiesen, dass der Fahrzeugführer durch diese Norm zum Versuchskaninchen der Automobilindustrie werde, indem er ausbügeln muss, was bei der Automatisierung noch nicht recht klappt. „Ihm wird auf der einen Seite die legale Möglichkeit gegeben, sich während des Fahrbetriebs mit anderen Dingen zu beschäftigen, auf der anderen Seite soll er haften, wenn etwas schief läuft“, so Mielchen weiter. Bedenke man, dass Versuche im Fahrsimulator ergeben hätten, dass ein mit anderen Dingen beschäftigter Fahrer bis zu 26 Sekunden benötigt um die Fahrsituation wieder voll zu erfassen, so dürfte der § 1 b StVG schnell ins Leere laufen, wenn man nicht Bürger nach dem Zufallsprinzip kriminalisieren wolle. Möglich erschiene es auch, die Hersteller der Fahrzeuge, insbesondere die Programmierer auf der Ebene der „Chain of Supply“ angesiedelte Fahrlässigkeitsverstöße in die Verantwortung zu nehmen. Während dies bei Fragen der zivilrechtlichen Haftung viel Sinn ergeben würde, könnte eine Verschärfung der strafrechtlichen Haftung bedeuten, dass man mit der Berufswahl des Programmierers den ersten Fuß im Gefängnis hat. Möglicherweise erfordere die neue Technik auch ein Umdenken. „In Zukunft wird es vielleicht nicht immer einen Schuldigen geben“, so Mielchen. Belohnt würden wir indes mit drastisch sinkenden Unfallzahlen, die bei einer vollständigen Automatisierung des Straßenverkehrs zu erwarten seien. Eines müssten wir uns in Zeiten der DSGVO aber bewusst machen: Die Suche nach dem Schuldigen wird oft eine umfangreiche Datenauswertung, der schon jetzt zuhauf in Fahrzeugen aufgezeichneten Fahrdaten erforderlich machen. Nachdem mit § 63 a StVG und §§ 94 StPO diese Daten den Verfolgungsbehörden zugänglich seien, sollte dringend über die Schaffung von Beweisverwertungsverboten nachgedacht werden. Andernfalls drohten Strafrechtliche Schutzrechte leer zu laufen. | Zurück zur Übersicht |