Rechts vor links – Haftung bei Unfall auf Gegenfahrbahn

Rechts vor links – Haftung bei Unfall auf Gegenfahrbahn

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(DAV) Eigentlich ist die Regelung leicht: Gibt es kein Verkehrsschild an einer Kreuzung, gilt „rechts vor links“. Derjenige, der Vorfahrt gewähren muss, muss auch langsam in die Kreuzung hineinfahren.

Was ist aber, wenn es zu einem Unfall kommt, weil der Vorfahrtsberechtigte auch die linke Fahrbahn benutzt, liegt dann ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot vor?

Bei der Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ müssen beide von rechts kommende Spuren beachtet werden. Das Vorfahrtsrecht erstreckt sich auf die gesamte Straßenbreite. Wenn es erforderlich ist, darf man auch die linke Fahrbahn mitbenutzen. Etwa um einen ausreichenden Seitenabstand an parkenden Fahrzeugen einzuhalten. Bei einem Unfall haftet dann der von links Kommende, der den Verkehrsverstoß begeht, allein. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Hechingen vom 11. Dezember 2020 (AZ: 1 O 207/19), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Wer haftet bei Unfall an Straßenkreuzung?

Der Kläger fuhr mit seinem Leichtkraftrad auf eine Kreuzung zu und wollte nach rechts abbiegen. An der Kreuzung galt rechts vor links. Als er eingebogen war, erkannte er zu spät das Auto des Beklagten. Das fuhr mehr auf der linken als auf der rechten Fahrbahn.

Infolgedessen stürzte der Kläger und kollidierte dabei mit dem Auto des Beklagten. Von ihm verlangte er Schadensersatz. Er meinte, der Autofahrer habe gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Schließlich habe er darauf vertraut, dass dann, wenn er rechts einbiegt, seine Fahrbahn frei sei.

An dem Kraftrad entstand ein Totalschaden (4150 €). Er verlangte 80-prozentigen Schadensersatz, da er eine Mitschuld von 20 % einräumte. Des Weiteren machte er gut 2500 € Nutzungsausfall geltend. Die Klage scheiterte jedoch. Dem Kläger wurde ein grober Verkehrsverstoß vorgeworfen, da er nicht Vorfahrt gewährt habe.

„Vorfahrt gewähren“ gilt für die gesamte Straßenbreite

Der Kläger hatte den Fehler gemacht, entschied das Gericht. Er hätte nur mit mäßiger Geschwindigkeit in die Kreuzung hineinfahren dürfen. Wer Vorfahrt gewähren muss, darf nur dann einfahren, wenn niemand gefährdet wird. Die Vorfahrt gilt dabei für die gesamte Straßenbreite.

Man konnte auch dem Autofahrer keinen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot vorwerfen. Zum einen schützt das Rechtsfahrgebot nur den Überhol- oder Gegenverkehr, nicht jedoch querende oder abbiegende Verkehrsteilnehmer.

Außerdem muss soweit rechts gefahren werden, wie dies den Gegebenheiten angemessen ist. Ein erforderlicher Seitenabstand muss sogar eingehalten werden. Hierfür darf auch die linke Fahrbahnhälfte genutzt werden.

Eine mögliche Mithaftung des Autofahrens aus der Betriebsgefahr schloss das Gericht aus. Aufgrund des groben Verschuldens des Klägers trat diese gänzlich zurück.