Stau: Überholen an der Ampel oder Autobahn mit dem Motorrad erlaubt?

Stau: Überholen an der Ampel oder Autobahn mit dem Motorrad erlaubt?

Autofahrer blicken nicht selten genervt hinterher: Stundenlanger Stau auf der Autobahn und dann drängeln sich Motorradfahrer an den stehenden PKW’s vorbei. Doch ist das Durchschlängeln und Überholen hier erlaubt? Und wie ist das an roten Ampeln? Die Antworten sind eindeutig: Motorradfahrer sollten mit der möglichen Zeitersparnis vorsichtig umgehen – andernfalls drohen Strafen.

„Vor Gott sind alle Menschen gleich, vor dem Stau alle Autos“, sagte der Literaturkritiker Hellmuth Karasek einmal. Und recht hat er: Ob Limousine oder alter Kleinwagen – Hierarchien und Besitztum sind in den Minuten und mitunter Stunden des Staus ausgehebelt. Denn vorwärts geht es für niemanden.

Karasek spricht von Autos – andere Verkehrsteilnehmer scheinen ausgenommen und tatsächlich werden die allermeisten Autofahrer schon die folgende Situation erlebt haben: Lange Standzeiten und dann nähern sich Motorräder von hinten und rollen vorsichtig an den PKW’s vorbei. Ist das unfair? Vielleicht. Aber ist das auch verboten?

„Ja“, sagt Jörg Elsner, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) und ergänzt: „Das hängt vor allem mit dem Verbot rechts zu überholen zusammen.“

Durchschlängeln und überholen bei Staus auf Autobahnen durch Motorräder verboten

Ob es sich beim Durchschlängeln um einen unzulässigen Überholvorgang handelt, ist in der Straßenverkehrsordnung (StVO) zwar nicht explizit geregelt. Einige Regeln aus der StVO machen einen Überholvorgang von Motorradfahrern allerdings unmöglich – zumindest unmöglich im rechtlich erlaubten Rahmen.

1)    Einhaltung des Seitenabstand

Beim Überholen muss generell Abstand zum Nebenfahrzeug eingehalten werden. Bei Fahrrädern 1,5 Meter, bei mehrspurigen Fahrbahnen – wie auf einer Autobahn – 1 Meter. Verbunden mit den weiteren in der Folge aufgezeigten Regelungen ein auf einer Autobahn für Motorräder schwieriges Unterfangen.

2)    Einhaltung der Fahrbahn

Rechtsanwalt Elsner: „Zwar darf man auch im Stau beziehungsweise bei zähflüssigem Verkehr die Fahrbahn wechseln, doch darf nicht zwischen zwei Fahrbahnen gefahren werden.“  Das aber wird im Stau schwierig. Denn wie soll ein Motorradfahrer ansonsten vorankommen? Zudem kann der Seitenabstand wohl kaum eingehalten werden, wenn auf der Fahrbahn selbst überholt wird. Und ein dritter Punkt kommt hinzu:

3)    Einhaltung des Gebots, rechts zu überholen

„Unabhängig der vorherigen Einschränkung darf man als Motorradfahrer schon allein deshalb nicht zwischen Autos hindurch, da dadurch rechts überholt werden würde – und das ist verboten“, erklärt Jörg Elsner.

Hier gibt es allerdings Ausnahmen. So darf dann rechts überholt werden, wenn dem Rechtsüberholenden ein freier Fahrstreifen zur Verfügung steht. Auf einer Autobahn ist dies allerdings nahezu nie der Fall – der Seitenstreifen ist damit nicht gemeint.

Rechtlich unproblematisch können Motorradfahrer also nur auf der ganz linken Spur überholen, die bei voller Fahrbahn allerdings nicht frei ist. Und wenn sie die stehenden oder langsam rollenden Autos links passieren, halten sie wiederum den Sicherheitsabstand nicht ein.

Es darf nur links überholt werden – auch bei Autobahnstau

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat zum Überholvorgang von Motorrädern auf der Autobahn bereits 1990 eine bis heute häufig zitierte Entscheidung getroffen. In dem Fall überholte ein Krad-Fahrer (alte Bezeichnung für ein Kraftrad, also etwa ein Motorrad) zwischen der zweiten und dritten Fahrbahn Autos, die nur langsam vorankamen. Dabei überholte er mindestens fünf links neben ihm befindliche Fahrzeuge – und war somit Rechtsüberholer. Das Gericht erkannte darin ein verbotenes Rechtsüberholen (Beschluss vom 30. April 1990; AZ: 5 Ss (OWi) 151/90 – (OWi) 77/90).

Dabei gibt es eine Ausnahmevorschrift, die in §5 der StVO geschrieben steht. Sie bezieht sich auf Fahrrad- und Mofafahrer, die in Ausnahmefällen auch rechts überholen dürfen, zumindest dann, wenn ausreichend Raum vorhanden ist. Dabei müssen sie mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen. Aufgrund der oben beschriebenen Einschränkungen bezieht sich das allerdings primär auf das Anstehen an roten Ampeln.

Zusammenfassung: Auch an roten Ampeln ist überholen verboten

Mit der Einschränkung für Mofafahrer gelten die oben angeführten Bestimmungen auch für Motorradfahrer an roten Ampeln. „Auch hier müssen Motorradfahrer sich gedulden“, sagt Jörg Elsner.

Das Karasek-Zitat kann demnach ausgeweitet werden: „Vor Gott sind alle Menschen gleich, vor dem Stau alle Autos – und Motorräder.“ Wer sich als Biker nicht daran hält, dem drohen Bußgelder und Punkte.

Überholen im Stau: Diese Strafen drohen Motorradfahrern

Der Bußgeldkatalog legt recht genau fest, welche Strafen je nach Vergehen drohen. Die wohl häufigsten in der Übersicht: 

  • Überholen trotz Verbot: 70 Euro und ein Punkt in Flensburg (70/1)
  • Überholen mit zu wenig Seitenabstand: 30/0
  • Zum Überholen ausgeschert und Nachfolgende gefährdet: 80/1
  • Überholen bei unklarer Verkehrslage: 100/1
  • Überholen bei unklarer Verkehrslage mit Überholverbot: 150/1
  • Überholen bei unklarer Verkehrslage mit Gefährdung: 250/2 und 1 Monat Fahrverbot

Alle weiteren Strafen rund um das Überholen finden sie hier.

Unfall beim Durchschlängeln: Motorradfahrer trifft Mitschuld

Häufiger als mit einem möglichen Überholverbot im Stau, haben sich Gerichte mit der Frage der Mithaftung von Motorrädern bei Unfällen in Folge des Durchschlängelns befasst.

Das Landesgericht Trier erkannte zum Beispiel eine Haftungsverteilung von einem Drittel zu Lasten einer Motorradfahrerin. Sie überholte eine vor einer Ampel haltende Fahrzeugkolonne auf der gleichen Fahrspur. Eine Polo-Fahrerin fuhr allerdings zeitgleich aus einer Parklücke in eine Lücke der Kolonne. Es kam zu einer Kollision, woraufhin sich die Motorradfahrerin verletzte. Zwar sah das Gericht den Hauptverursachungsanteil bei der Polo-Fahrerin – doch ebenso eine Mithaftung der Motorradfahrerin, da es sich bei ihrem Verhalten um einen Verstoß gegen das Rücksichtsnahmegebot gehandelt habe und das Überholen der Kolonne bei unklarer Verkehrslage geschehen sei (Urteil vom 10. Dezember 2013; AZ: 5 O 80/13).

Vergleichbar entschieden auch andere Gerichte in der Vergangenheit, daher müssen Motorradfahrer damit rechnen, dass sie stets eine Mitschuld im Falle eines Unfalls trifft, so sie bei Stau oder zähem Verkehr überholen.