Unfallgutachten zu teuer? Warum der Verursacher trotzdem zahlen muss
(DAV). Nach einem Verkehrsunfall stellt sich häufig die Frage: Wer muss die Kosten für das Schadensgutachten tragen – und in welcher Höhe? Besonders heikel wird es, wenn der Sachverständige mehr verlangt, als ortsüblich erscheint. Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Berlin bringt nun Klarheit für Geschädigte: Selbst
überhöht abgerechnete Gutachterkosten können vollständig zu ersetzen sein – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 6. März 2025 (AZ: 44 O 314/24 V) klargestellt: Auch wenn einzelne Positionen einer Gutachterrechnung überhöht erscheinen, kann der Unfallverursacher dennoch zur Erstattung der vollen Kosten verpflichtet sein – jedenfalls dann, wenn der Geschädigte die Rechnung bereits
bezahlt hat und die Überhöhung für ihn nicht offensichtlich war.
Unfallhergang: Vorfahrt missachtet – volle Haftung
Im dem von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall war der Kläger mit seinem Fahrzeug in Berlin unterwegs. Aus einer Seitenstraße kam ein Wagen und missachtete die Vorfahrt, es kam zur Kollision. Die Beklagte – die Haftpflichtversicherung der Unfallverursacherin – erkannte ihre volle Einstandspflicht an. Die Sachverständigenkosten für das Schadensgutachten wurden aber nur teilweise beglichen.
Gutachterkosten – überzogen oder gerechtfertigt?
Der Geschädigte forderte die vollständige Erstattung der ihm in Rechnung gestellten 2.362,15 Euro, abzüglich bereits gezahlter 476,95 Euro. Die Beklagte argumentierte, das Gutachten sei zu teuer – insbesondere einzelne Nebenkosten wie Fahrtkosten oder Fotopauschalen.
Das Landgericht folgte dem nicht: Zwar seien einige Positionen überhöht, etwa 20,00 Euro für eine einfache Fahrt von neun Kilometern. Doch insgesamt blieben die Kosten im Rahmen des nach der BVSK-Honorarbefragung Üblichen. Eine willkürliche oder offensichtlich erkennbare Überhöhung habe nicht vorgelegen.
Das Sachverständigenrisiko: Wann muss der Versicherer zahlen?
Zentrale Bedeutung hatte der Umstand, dass der Kläger das Gutachten bereits bezahlt hatte. In solchen Fällen greift das sogenannte Sachverständigenrisiko: Der Schädiger muss dann auch überhöhte Kosten tragen, solange diese nicht für den Geschädigten erkennbar überzogen waren. Der Kläger konnte sich auf die Notwendigkeit des Gutachtens verlassen und musste keine Preisvergleiche anstellen. Der BGH hat diese Rechtsauffassung zuletzt mehrfach bestätigt.
Zug-um-Zug-Leistung: Gutachteransprüche abtreten
Das Gericht sprach dem Kläger den vollen Ersatz der Sachverständigenkosten in Höhe von 1.885,20 Euro zu – allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger
Schadensersatzansprüche gegen den Gutachter. So bleibt der Beklagten die Möglichkeit, sich über Rückforderungen beim Sachverständigen zu entlasten.
Quelle: www.verkehrsrecht.de