Verkehrssicherungspflicht im Rahmen von Straßenbauarbeiten

Verkehrssicherungspflicht im Rahmen von Straßenbauarbeiten

(dpa/red). Bei Unfällen an Baustellen kann sich auch die Frage stellen, ob rechtzeitig vor der Baustelle gewarnt wurde oder sie richtig gesichert war. Die Anforderungen an die verantwortliche Baufirma sind dabei nicht unbegrenzt. Wo endet die Sorgfaltspflicht der Baufirma, wenn es sich nur eine aufgefräste Fahrbahn handelt?

Mit dieser Frage hat sich das Landgericht in Coburg beschäftigt, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet. Dabei ging es um vor allem darum, was ein Verkehrsteilnehmer selbst erkennen kann. Eine aufgefräste Fahrbahn muss zum Beispiel nicht abgesperrt werden.

Radfahrer stürzt auf aufgefräster Fahrbahn
Der Radfahrer fuhr auf einer Straße, deren Belag über eine Breite von 80 Zentimeter mindestens vier Zentimeter tief aufgefräst war. Die Baustelle war nicht abgesperrt. Links daneben verblieb ein Fahrweg von 2,75 Meter Breite. Der Radfahrer stürzte und zog sich dabei so erhebliche Verletzungen zu, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste. Anschließend waren Reha-Maßnahmen notwendig. 

Der Mann verlangte von der beauftragten Baufirma Schmerzensgeld im fünfstelligen Bereich und weiteren Schadensersatz. Er konnte sich zwar an die Einzelheiten des Unfallhergangs nicht mehr erinnern, behauptete aber, er sei aufgrund der nicht abgesicherten Auffräsung gestürzt. Bei einer ordnungsgemäßen Absicherung wäre das nicht geschehen.

Die Baufirma wehrte sich dagegen. Sie meinte, der Radfahrer sei nicht wegen der Baustelle gestürzt. Ebenso gut könne er einen Schwächeanfall erlitten haben oder durch die Einwirkung Dritter zu Fall gekommen sein. In jedem Fall seien die Baustelle und die Auffräsung bei den zur Unfallzeit besten Wetter- und Sichtbedingungen gut erkennbar gewesen.

Kein Verstoß gegen Verkehrsicherungspflicht – kein Schmerzensgeld
Dem Gericht kam es nicht darauf an, ob die fehlende Absperrung der Baustelle eine Verkehrssicherungspflichtverletzung darstellt oder nicht – obwohl es daran erhebliche Zweifel hatte. Aus Sicht der Richter hatte der Radfahrer die aufgefräste Fahrbahnoberfläche rechtzeitig erkannt und sich trotzdem zum Weiterfahren entschieden.

Ein Verkehrssicherungspflichtiger müsse aber nur diejenigen Gefahren ausräumen, vor denen ein verständiger und sorgfältiger Benutzer sich nicht selbst schützen könne. Etwa weil die Gefahrenlage völlig überraschend eintrete oder aber nicht ohne weiteres erkennbar sei. Dies sei hier eben nicht der Fall. Die Auffräsung sei lediglich vier Zentimeter tief. Daher sei auch keine Absturzsicherung erforderlich. Der Radfahrer hätte sich vielmehr auf die von ihm erkannte Auffräsung einstellen und notfalls vom Rad absteigen müssen.

Das Gericht war aber nicht davon überzeugt, dass der Sturz des Mannes überhaupt auf die Baustelle zurückzuführen ist. Schließlich gebe es auch andere Unfallmöglichkeiten, die nicht ausgeschlossen werden könnten.
Auffällig sei auch, dass sowohl der Radfahrer, der an den Unfallhergang keine Erinnerung mehr hatte, als auch sein Fahrrad neben der Auffräsung gefunden worden seien. Auch sonstige Spuren, die darauf hätten schließen lassen, dass der Mann in der Auffräsung gestürzt sei, habe es nicht gegeben. Den Beweis müsse aber er erbringen als derjenige, der einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht habe.

Landgericht Coburg am 11. Februar 2015 (AZ: 12 O 522/14)