Verkehrstherapie und MPU-Vorbereitung

Verkehrstherapie und MPU-Vorbereitung

„Es geht nicht um die MPU, sondern um das Fahren danach“

Wer wiederholt mit Alkohol und/oder Drogen am Steuer oder mit mehr als 1,6 Promille erwischt wird, muss zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU). Insgesamt 91.536 MPU‘s wurden 2014 in Deutschland durchgeführt. Im Interview erläutert Rüdiger Born, Fachpsychologe für Verkehrspsychologie in Hamburg, wie man sich vorbereiten kann und warum das Zusammenspiel zwischen Verkehrsanwalt und -psychologe Vorteile hat.

Was sind Ihre Aufgaben als Verkehrspsychologe?

Ein Verkehrspsychologe hat einen Universitätsabschluss als Psychologe. Mit der Spezialisierung „Verkehrspsychologie“ hat er oder sie das menschliche Erleben und Verhalten im Verkehr zum Thema gewählt. Dazu gehören beispielsweise auch die Gestaltung von PKW-Instrumenten und die Gestaltung von Kreisverkehren. Die meisten Verkehrspsychologen aber arbeiten mit Fahrern und Fahrerinnen, die öfters oder schwer gegen Verkehrsregeln verstoßen, etwa durch Fahren unter Alkohol und Drogen oder Sammeln von Punkten in Flensburg. Die niedergelassenen Verkehrspsychologen wie meine Frau und ich beraten, coachen oder therapieren diese Fahrer. Ziele sind die Erhöhung der Verkehrssicherheit und dass die Klienten eine Fahrerlaubnis entweder behalten oder wieder erteilt bekommen können.

Wie sieht eine solche Beratung oder Therapie beim Verkehrspsychologen aus?

Psychologen haben, wie die Anwälte auch, eine gesetzliche Schweigepflicht, und die ist eine gute Grundlage für Vertrauen. Am Beginn der Arbeit steht eine diagnostische Einordnung. Dass jemand mit 2,1 Promille Blutalkoholkonzentration ein Auto über 3 km Strecke gelenkt hat, zeigt eine Trinkfestigkeit – mehr kann man aber über den Fahrer zunächst nicht sagen. Erst im Gespräch klärt sich, ob der Fahrer ein Alkoholabhängiger ist, der „trocken“ werden sollte, oder etwa ein gut gelaunter Partygänger, der durchaus künftig weiter Alkohol konsumieren darf, aber sich klare Grenzen bezüglich der Portionen setzen und an diese gewöhnen muss. In diesem diagnostischen Gespräch zeigt sich manchmal, dass die Beratenen schon aus eigener Kraft den für sie richtigen Weg erkannt haben und gegangen sind, so dass sie außer vielleicht einer Buchempfehlung nichts mehr vom Psychologen brauchen. Ungefähr die Hälfte der Beratenen setzt jedoch das Gespräch in Form einer „Verkehrstherapie“ fort. In ihr geht es um die Motive zum Alkohol- oder Drogenkonsum oder zum Schnellfahren und darum, wie der Klient diese in der Regel berechtigten und gesunden Interessen mit anderen Methoden verfolgen kann – Methoden mit weniger Nebenwirkungen und ohne Gefahren für den Straßenverkehr. Die Therapie hat das Ziel, eine Eignung zum Fahren zu erreichen. Wenn ein Fahrer sich nachweislich um seine Fahreignung bemüht, kann beispielsweise eine Führerscheinsperre von vornherein kürzer bemessen oder am Ende abgekürzt werden. Oder ein Fahrverbot kann vermieden werden. Um das zu erreichen, arbeiten wir eng mit den Verkehrsanwälten der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwaltverein) e.V. zusammen.

Sie bieten in Ihrer Praxis auch eine MPU-Vorbereitung an – was genau ist das?

Ich nenne das lieber „Fahreignungsförderung“, aber der Begriff „MPU-Vorbereitung“ ist recht verbreitet. Wir besprechen zunächst mit dem Betroffenen, was er schon aus eigener Kraft geleistet hat. Wenn noch etwas fehlt, erarbeiten wir es mit ihm. Wir orientieren uns dabei u.a. an denselben Diagnosekriterien und Kriterien für Fahreignung, die später auch die Kollegen Gutachter in der MPU verwenden. Wichtig ist dabei zu verstehen, dass es nicht in erster Linie um die MPU selbst, sondern um sicheres und glückliches Fahren nach der MPU geht. Die MPU soll ja genau diese Frage klären: ob der Untersuchte künftig sicher unterwegs ist oder ob er wieder dieselben Fehler macht. Über 95 Prozent unserer Verkehrstherapieabsolventen bestehen die MPU – und fast 97 Prozent davon haben drei Jahre später ihren neuen Führerschein immer noch.

Mit welchen konkreten Anliegen kommen Ihre Klienten zu Ihnen?

Wir haben jedes Jahr bis zu 150 Klienten. Die meisten sind Männer, allerdings wächst der Anteil der Frauen seit Jahren. Einige kommen zur Vorbereitung auf eine direkt bevorstehende MPU. Immer mehr aber kommen kurz nach ihren Verkehrsvergehen, wenn noch viel Zeit bis zu einer MPU ist. Das ist optimal, denn in der MPU will man ja zeigen, dass man mittlerweile ungefährliche Gewohnheiten hat, die schon längere Zeit stabil sind. Verkehrsanwälte spielen dabei eine ganz wichtige Rolle. Polizei und Strafgerichte haben meist nur die Frage im Auge, ob eine Fahrerlaubnis weggenommen werden muss. Der Verkehrsanwalt kennt und beachtet zusätzlich die Anforderungen der Führerscheinstelle, die später entscheiden wird, ob eine neue Fahrerlaubnis erteilt werden kann.

Welche Diagnose müssen Sie besonders oft stellen?

Am häufigsten stehen wir vor der Frage, ob ein Alkoholfahrer einen weiteren Alkoholkonsum völlig unterlassen oder ob er ihn begrenzen soll. Die Antwort ist ziemlich unabhängig vom gemessenen Promillewert. Viele Leute denken: besser immer Abstinenz, die ist höherwertig, und die Größe des Verzichts zeigt die Größe der Reue. Psychologisch ist Abstinenz die Überzeugung: „Ich kann und darf keinen Alkohol trinken, das würde mir wieder über den Kopf wachsen.“ Dazu muss man aber Erfahrungen der Machtlosigkeit gemacht haben, etwa „Ich habe mir oft Vorsätze gemacht und dann doch mehr getrunken“. Wer dagegen diese Erfahrungen nicht hat und denkt, „Was kann mir ein Bier schon schaden?“, der kann sich wahrscheinlich nicht jahrelang zum Verzicht motivieren. Für ihn ist es passender, sich klar zu machen, dass mehrere Biere auf einmal sehr wohl schaden, weil der Alkoholpegel zu Enthemmung und Denkstörungen führt und diese begünstigen, dass man Fehler macht – wie etwa betrunken Auto fahren. Wenn er das versteht, hat er ein stabiles Motiv zu kontrolliertem, maßvollen Umgang mit Alkohol. Das ist dann tragfähiger als eine aufgesetzte Abstinenz.

Worauf sollte man bei der Auswahl des Verkehrspsychologen achten?

Zunächst sollte geprüft werden, ob er überhaupt Psychologe ist. Psychologe ist ein geschützter Titel, der nach einem entsprechenden Universitätsstudium geführt werden darf, aber „Psychologischer Berater“ darf sich jeder nennen. Durch die Spezialisierung auf Verkehr erwirbt der Psychologe in der Regel weitere Qualifikationen, beispielsweise zum Punktabbau in Flensburg, über die er gerne Auskunft gibt. In der Selbstdarstellung und in der Arbeit mit dem Klienten sollte erkennbar sein, dass es dem Verkehrspsychologen um einen Langzeiterfolg geht und nicht nur um ein Strohfeuer, den Klienten durch die MPU zu bringen. Man bezahlt einen Psychologen ähnlich wie einen Arzt oder Verkehrsanwalt für sein kompetentes Bemühen – ich kenne keinen seriösen Verkehrspsychologen, der Erfolgsgarantien gibt. Beratung und Begutachtung müssen personell streng getrennt sein. Auch eine gleichzeitige Vermittlung von Krediten zur Finanzierung der MPU und der Vorbereitungsmaßnahmen ist höchst unseriös. Achten sollte man auf den Nachweis von Kontrollen zur Qualitätssicherung durch neutrale Stellen und auf realistische Preise.