Vorfahrt in Österreich genommen – was deutsche Gerichte entscheiden

Vorfahrt in Österreich genommen – was deutsche Gerichte entscheiden

(DAV). Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrem Auto in Österreich unterwegs und haben einen Unfall. Wer ist dann zuständig, wenn Sie Schadensersatz fordern wollen? Und welche Gesetze gelten eigentlich?

Das Landgericht Essen hat in einem aktuellen Urteil am 10. April 2024 (AZ: 13 S 9/24) eine klare Antwort auf diese Fragen gegeben. Auch wenn ein Unfall im Ausland passiert, können Sie in Deutschland klagen. Das deutsche Gericht muss dann zwar das Recht des Unfalllandes, in diesem Fall Österreichs, anwenden. Aber bei der Frage, wer für den Unfall verantwortlich ist, gelten deutsche Beweisregeln.

Anscheinsbeweis – wenn der Eindruck zählt

Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang ist der Anscheinsbeweis, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Das bedeutet, dass ein Gericht von bestimmten Tatsachen ausgehen kann, wenn sie aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung wahrscheinlich sind. 

Bei einem Unfall an einer Kreuzung wird zum Beispiel schnell davon ausgegangen, dass derjenige, der die Vorfahrt missachtet hat, schuld ist.

Unfall in Österreich

Eine Autofahrerin bog von einer Nebenstraße in eine vorfahrtsberechtigte Straße ein. Dabei übersah sie offenbar ein anderes Fahrzeug und es kam zum Zusammenstoß. Vor Gericht versuchte sie, die Schuld auf den anderen Wagen zu schieben. Nach ihrer Darstellung habe das andere Auto kurz vor dem Unfall den Fahrstreifen gewechselt.

Zunächst betonte das Landgericht, dass es zuständig sei. Entschieden werden müsse nach österreichischem Recht. Die Beweisfragen wurden aber nach deutschem Recht beurteilt. So kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Unfallursache eindeutig in der Vorfahrtsverletzung der Klägerin lag. Da sie als Fahrerin einer untergeordneten Straße die Vorfahrt hätte gewähren müssen, trug sie die Hauptverantwortung für den Unfall.

Warum kam das Gericht zu diesem Schluss?

•    Anscheinsbeweis: Der Richter stützte seine Entscheidung auf den sogenannten Anscheinsbeweis. Das bedeutet, dass aufgrund der Umstände des Unfalls – die Klägerin fuhr gerade erst auf die Vorfahrtsstraße und hatte eine geringe Geschwindigkeit – davon ausgegangen werden kann, dass ihre Vorfahrtsverletzung die Hauptursache für den Unfall war.

•    Mangelnde Beweise: Die Behauptung der Klägerin, der andere Fahrer habe den Fahrstreifen gewechselt, konnte sie nicht ausreichend belegen. Es fehlten konkrete Beweise, wie zum Beispiel Zeugenaussagen oder technische Gutachten.

Obwohl der Unfall in Österreich stattfand, war ein deutsches Gericht zuständig, da der Kläger seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Das Gericht wandte in diesem Fall deutsches Zivilprozessrecht an, insbesondere den Grundsatz des Anscheinsbeweises.

Quelle: www.verkehrsrecht.de