Zahl der Fälle von Fahrerflucht nimmt zu
In Deutschlands Norden gibt es immer mehr Fälle von Fahrerflucht1: So verzeichnete Niedersachen zwischen 2010 und 2015 einen Anstieg um 14 Prozent, in Hamburg betrug der Zuwachs 8,6 Prozent und in Schleswig-Holstein immerhin 2,5 Prozent.2 Experten fürchten, dass die Zahlen auch bundesweit weiter steigen – und das, obwohl hohe Strafen drohen. Autofahrern, die Fahrerflucht begangen haben, rät die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwaltverein) e.V. einen Verkehrsanwalt einzuschalten, um eine Strafe abzuwenden oder zu reduzieren.
Fahrerflucht ist schneller passiert, als viele glauben
Grundsätzlich ist der Fall klar: Wer beim Ausparken einen anderen Wagen touchiert und einfach wegfährt, begeht Fahrerflucht und damit eine Straftat. Tatsächlich wird das Vergehen mit harten Strafen geahndet – und das kann selbst dann der Fall sein, wenn man lediglich geschockt wegfährt und danach wieder umkehrt. Das bedeutet: Bereits der kleine Parkplatzrempler kann ähnlich hart bestraft werden, wie ein schwerer Unfall mit großem Blech- oder Personenschaden, nach dem man sich ganz bewusst aus dem Staub macht.
Es hat gekracht: Warten ist Pflicht
Ob kleiner Kratzer oder großer Rumms: Wer ein anderes Fahrzeug beschädigt, ist in jedem Fall verpflichtet, dem Besitzer des Wagens oder der Polizei seine Personalien zu geben. Ist der Wageninhaber nicht vor Ort, muss der Unfallverursacher eine angemessene Zeit auf ihn warten. Die genaue Wartezeit hängt von den Umständen ab und sollte tagsüber circa eine Stunde betragen. Erscheint in dieser Zeit niemand, verlangt es das Gesetz, sich umgehend bei der Polizei zu melden. Wer nicht lange genug an der Unfallstelle wartet und lediglich seine Kontaktdaten an der Windschutzscheibe hinterlässt, begeht automatisch Fahrerflucht. Eine kleine Brücke gibt es allerdings, die „tätige Reue“: Wenn sich der Flüchtige innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall bei der Polizei meldet, kann er den Tatbestand der Fahrerflucht nachträglich vermeiden. Leider ist das jedoch nur bei Schäden bis 1.300 Euro und auch nur bei Parkplatzunfällen, also außerhalb des fließenden Verkehrs, möglich. Aber selbst die tätige Reue bleibt nicht gänzlich unbestraft.
Schon bei kleinen Vergehen drohen hohe Strafen
Auch wenn sie nicht mit böser Absicht geschieht, ist Fahrerflucht eine Straftat. Welche Strafe dem Unfallflüchtigen droht, hängt vom Tathergang und dem verursachten Schaden ab. Üblicherweise sind es mindestens eine Geldstrafe im Bereich eines Monatsnettogehalts sowie zwei Punkte in Flensburg. Beträgt der Fremdschaden mehr als 1.300 Euro, wird im Regelfall der Führerschein entzogen und eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten verhängt. Hinzu kommen dann drei Punkte in Flensburg. Noch härter fällt die Strafe aus, wenn Menschen beim Unfall verletzt wurden. In diesem Fall gilt das Vergehen als fahrlässige Körperverletzung, wird mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet. Fahranfänger in der Probezeit müssen unabhängig von der Schadenshöhe mit einer zweijährigen Verlängerung der Probezeit rechnen und ein Aufbauseminar besuchen.
Verkehrsanwälte können Betroffenen zu ihrem Recht verhelfen
Wer von der Polizei der Fahrerflucht bezichtigt wird, sollte unbedingt von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, denn bereits eine unbedachte Bemerkung kann als Schuldgeständnis ausgelegt werden. Das heißt: Lediglich Angaben zur Person müssen gemacht werden, Angaben zur Sache darf und sollte man verweigern. Ganz gleich, ob die Polizei bereits vor der Tür steht oder die Tat gerade erst geschehen ist: Es ist immer ratsam, schnellstmöglich einen Verkehrsanwalt einzuschalten. Dieser kann Einsicht in die Strafakte nehmen, führt die Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht und erstellt gemeinsam mit seinem Mandanten eine Verteidigungsstrategie. Häufig erreicht er, dass das Verfahren aufgrund von Fehlern eingestellt wird. Ist das nicht möglich, kann er dennoch das Strafmaß erheblich reduzieren und eine Höherstufung bei der Versicherung verhindern.
Die Fluchttendenz ließe sich mit milderen Strafen verringern
Wenn sich ein Unfallflüchtiger kurz nach seiner Tat eines Besseren besinnt und sich der Polizei stellt, kann das Gericht die Strafe zwar mildern oder ganz von einer Strafe absehen, zwei Punkte im Flensburger Strafregister bleiben dennoch bestehen. Deshalb haben sich die Verkehrsanwälte auf dem 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar für geringere Strafen ausgesprochen. So sollen Autofahrer, die sich nachträglich melden, straffrei ausgehen. Auf diese Weise soll für sie eine Motivation geschaffen werden, sich nachträglich zu bekennen. Darüber hinaus fordern die Verkehrsanwälte, dass Schäden erst ab 10.000 Euro als bedeutend eingestuft werden, da ein Schadenwert in Höhe von 1.300 Euro bei heutigen Autos schnell erreicht wird. Mit beiden Forderungen verfolgen die Verkehrsanwälte das Ziel, dass die Zahl der Unfallfluchten sinkt und in der Folge weniger Geschädigte ihre Kosten selber tragen müssen.
Weitere Informationen und ein spannendes Interview mit Verkehrsanwalt Christian Janeczek finden Sie <link file:871 _blank>hier</link>.