Bilanz nach einem Jahr Bußgeldkatalog: Blitzereinnahmen 2022 mehr als verdoppelt
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- Berlin mit Blitzer-Einnahmen in Höhe von 30,2 Millionen Euro Blitzermillionär und Spitzenreiter, gefolgt von Köln mit 21,5 Millionen Euro und Düsseldorf mit 14,5 Millionen Euro
- Sprung von 17 auf 26 Blitzermillionäre für das Jahr 2022 – neun Städte mehr als 2021
- Gesamteinnahmen der ausgewerteten Städte mehr als verdoppelt: Steigerung von 58,3 Millionen Euro in 2021 auf 134,5 Millionen Euro in 2022
- Letztjähriger Spitzenreiter Hamburg nimmt nicht an Umfrage teil, nahm 2022 laut Innenbehörde aber fast 43,59 Millionen Euro durch Blitzer für zu schnelles Fahren ein
Berlin, 14.11.2023 – 26 deutsche Städte waren im Jahr 2022 Blitzermillionäre. Das ergab die diesjährige Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) unter den 150 größten Städten Deutschlands. Zum Vergleich: 2021 knackten nur 17 Städte die Millionengrenze. Damit ist der Anteil der Blitzermillionäre von knapp 50 auf 72 Prozent gestiegen.
Die stark gewachsenen Einnahmen dürften im Wesentlichen auf die Einführung des neuen Bußgeldkatalogs im November 2021 zurückzuführen sein. Seitdem müssen Autofahrer*innen für viele Vergehen im Straßenverkehr deutlich höhere Bußgelder zahlen, zum Teil sind diese fast um das Doppelte gestiegen. Insbesondere Temposünder werden stärker zur Kasse gebeten. Als Grund für die Erhöhung führt die Bundesregierung die Verkehrssicherheit an, insbesondere den Schutz von Radfahrer*innen und Fußgänger*innen.
Abgefragt wurden neben den Blitzereinnahmen und deren Verwendung auch die Anzahl der installierten Blitzer und deren Einsatzzwecke, wie etwa für Rotlicht- oder für Geschwindigkeitsverstöße. Außerdem ging es um eine Einschätzung zur Verwendung der neuen Monocams, sogenannter Handy-Blitzer. 53 der kontaktierten Städte meldeten sich mit ausgefüllten Fragebögen zurück, von denen 36 für die Auswertung genutzt werden durften. 17 Städte gaben ihre Daten nicht zur Veröffentlichung frei.
26 Städte knacken 2022 die Millionengrenze
Unter den 36 Städten, deren Zahlen ausgewertet werden konnten, waren 26 Blitzermillionäre. Das sind Rekordzahlen, verglichen mit den Umfrageergebnissen der letzten Jahre: So hatten wir in der letztjährigen Auswertung elf Blitzermillionäre, 2020 sogar nur zehn. Während sich 16 Städte aus dem Vorjahr wieder an der diesjährigen Blitzerumfrage beteiligt haben, waren die vier letztjährigen Spitzenreiter unter den Blitzermillionären dieses Jahr nicht dabei: Hamburg, Chemnitz, Leipzig und Frankfurt.
„Gerade dass Hamburg in diesem Jahr nicht teilgenommen hat, ist für uns bezeichnend. 2021 lagen die Einnahmen schon bei über 18 Millionen Euro, laut Innenbehörde 2022 sogar bei fast 43,59 Millionen Euro nur für zu schnelles Fahren. Damit wäre Hamburg auch dieses Jahr klarer Spitzenreiter gewesen“, erklärt Dr. Daniela Mielchen, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV.1
Zu den diesjährigen Millionären gehören Nürnberg, Dresden, Ludwigshafen, Pforzheim, Tübingen, Jena, Remscheid, Weimar, Norderstedt, Villingen-Schwenningen, Paderborn, Friedrichshafen, Schwerin, Rostock, Moers, Fürth, Erlangen, Marburg, Offenbach a. M., Lüdenscheid und Wesel. Die Einnahmen durch Bußgelder aus mobilen und stationären Blitzanlagen liegen dabei oft weit über einer Million: Berlin (30,2 Mio.), Köln (21,5 Mio.), Düsseldorf (14,5 Mio.), Bremen (7,3 Mio.) und Esslingen am Neckar (6 Mio.) führen als Top Fünf die Liste der Blitzermillionäre an.
Einnahmen deutschlandweit gestiegen
Besonders bemerkenswert: Insgesamt sind die Einnahmen 2022 ausnahmslos gestiegen, in allen Städten und somit deutschlandweit. Im Mittel haben sie sich mehr als verdoppelt – von insgesamt 58,3 Millionen Euro auf 134,5 Millionen Euro. In fünf Städten haben sich die Zahlen sogar verdreifacht: Hildesheim, Lüdenscheid, Esslingen am Neckar, Witten und Norderstedt. In der 100.000-Einwohner-Stadt Moers haben sie sich sogar vervierfacht und sind innerhalb eines Jahres von 331.000 Euro auf 1,3 Millionen Euro gestiegen, eine Steigerungsrate mit der keine der anderen Städte mithalten kann. Nach Angaben von 26 Städten werden die Einnahmen allesamt dem städtischen Haushalt zugeführt.
Eine ähnliche Steigerungsrate lässt sich auch mit Blick auf die Pro-Kopf-Einnahmen feststellen. Lag der Mittelwert 2021 noch bei 9,99 Euro pro Einwohner, liegt er 2022 bereits bei 18,97 Euro und hat sich nahezu verdoppelt. Hier zeigt sich ein interessantes Bild bei den Blitzermillionären der diesjährigen Erhebung: Während Düsseldorf (23,41 Euro) und Köln (20,05 Euro) deutlich im Mittelfeld und Esslingen am Neckar (64,77 Euro) weit über dem Durchschnitt liegen, fällt Bremen mit 13,00 Euro pro Einwohner deutlich ab. Besonders herausstechend: Berlin, mit etwa 3,7 Millionen Einwohnern größte Stadt Deutschlands und Blitzermillionär Nummer Eins, liegt mit 8,22 Euro pro Einwohner weit unter dem Mittelwert von 18,97 Euro. Im Vergleich dazu: Wesel als kleinste Stadt unter den Teilnehmern mit knapp 61.000 Einwohnern erzielte 16,98 Euro pro Einwohner.
Köln und Berlin mit den meisten Blitzeranlagen
Insgesamt waren 436 Messanlagen bei den 36 teilnehmenden Städten im Einsatz, hiervon 305 stationäre und 131 mobile Blitzer. Die meisten Anlagen gab es in Köln mit immerhin 75 Stück und in Berlin mit 63 Stück. Die wenigsten standen in Erlangen, Fürth, Troisdorf, Witten und Dormagen mit jeweils nur einer Anlage. Nürnberg fällt in diesem Zusammenhang besonders auf: Als 500.000-Einwohner-Stadt hatte sie nur sechs bis sieben Blitzeranlagen in Gebrauch, steht aber auf Platz 11 der Blitzermillionäre. Andere Städte mit einer vergleichbaren Anzahl an Einwohnern hatten mindestens 14 Anlagen oder mehr, wie etwa Bremen (563.000 Einwohner).
Die meisten dieser Blitzer finden ihren Einsatz zur Verhinderung von Geschwindigkeitsverstößen an häufigen Unfallorten. Die Hälfte der teilnehmenden Städte gab zudem an, dass sie ihre Messanlagen nutzen, um Rotlichtverstöße zu vermeiden. Darüber hinaus nannten die Städte auch weitere Gründe, wie etwa die Vermeidung von Verstößen in verkehrsberuhigten Zonen und zur Sicherheit im Bereich von Schulen, Kindergärten und Altenheimen. Aber auch der Lärmschutz und die allgemeine Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden sind wesentliche Gründe beim Einsatz der Blitzeranlagen.
Steigerungsrate pro PKW nahezu verdoppelt
Auch ein genauer Blick auf die Zahlen pro PKW zeigt: Die Einnahmen haben 2022 deutschlandweit zugenommen. Mit einem Sprung von 20,00 Euro auf 37,12 Euro pro Fahrzeug ergibt sich im Durchschnitt eine Steigerung von circa 86 Prozent. Die Zahlen haben sich damit nahezu verdoppelt.
„Der Trend der letzten Jahre setzt sich klar fort“, resümiert Mielchen. „Auch wenn viele Städte selbst keinen direkten Zusammenhang sehen wollen, wird neben dem neuen Bußgeldkatalog auch die zunehmend aggressive Verfolgung von Autofahrern, insbesondere durch die Städte, ihren Anteil gehabt haben. Autofahrer sind nicht mehr gern gesehen.“
Monocams: Kommen bald die neuen Handy-Blitzer?
Doch während bisher vor allem Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße für Bußgeldeinnahmen in Millionenhöhe sorgen, könnten bald auch Handy-Blitzer zu einer interessanten Einnahmequelle werden. Dabei handelt es sich um spezielle Kameras, die vorbeifahrende Autos filmen. Stellt eine Künstliche Intelligenz fest, dass die Fahrer*innen ein Handy halten, werden die Aufnahmen entsprechend ausgewertet. Ein Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2022 verlief bereits so erfolgreich, dass hier ein dauerhafter Einsatz geplant ist.
Bislang sind Monocams noch nicht deutschlandweit im Gebrauch, denn eine grundsätzliche Rechtsgrundlage steht noch aus. Dennoch wollte die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV im Rahmen ihrer Erhebung wissen, ob ein zukünftiger Einsatz wahrscheinlich ist. Und tatsächlich – acht der 36 Städte können sich die Nutzung eines Handy-Blitzers in ihrer Stadt vorstellen. Das sind 25 Prozent der gültigen Angaben. Drei machten keine Angaben. Während sich 13 Städte den Gebrauch nicht vorstellen konnten, wollten sich die restlichen Städte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht äußern und warten auf die endgültige Rechtslage.
„Der Einsatz künstlicher Intelligenz für diese Zwecke weckt Bedenken. Bislang sind hier noch nicht alle Datenschutzfragen geklärt“, schließt Verkehrsanwältin Mielchen. „Grundsätzlich sollte ein Bußgeldbescheid aber immer geprüft werden, sei es auf Basis einer Monocam-Aufnahme oder wegen eines anderen vermeintlichen Verstoßes. Gar nicht selten sind diese nämlich fehlerhaft.“
Über die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)
Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) wurde 1979 gegründet. Ihr gehören rund 4.5000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an. Die Arbeitsgemeinschaft unterstützt ihre Mitglieder in vielerlei Hinsicht: Sie bietet regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen an und informiert ihre Rechtsanwälte zum Beispiel über die neuesten Entwicklungen des Verkehrsrechts – zum Vorteil ihrer Mandanten.
Seit über 60 Jahren setzen sich die Verkehrsanwälte in den Gremien des Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar für die Rechte der Geschädigten ein und nehmen im Verkehrsrechtsauschuss des Deutschen Anwaltvereins zu allen wichtigen Gesetzesvorhaben Stellung.
Die Homepage der Arbeitsgemeinschaft www.verkehrsanwaelte.de verdeutlicht die Vorteile des anwaltlichen Rats in Verkehrsrechtsfragen und ermöglicht potentiellen Mandanten eine schnelle und konkrete Anwaltssuche. Gerade Unfallgeschädigten bieten Verkehrsanwälte zahlreiche Möglichkeiten. Die Erfahrung zeigt: Diejenigen, die durch einen Verkehrsanwalt vertreten werden, erzielen regelmäßig einen deutlich höheren Schadenersatz als Geschädigte, die die Regulierung selbst in die Hand nehmen.
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